Heute am 4. Februar ist Weltkrebstag. Es gibt kaum jemanden, der nicht einen geliebten Menschen verloren hat, der an Krebs erkrankt war.
Immer häufiger erfahren wir auch davon, dass Krebs geheilt wurde und der/die Betroffene ein Riesenglück, gute medizinische Betreuung und gute Zeiten der Genesung erleben.
Auch in dieser schwierigen Situation des Betroffenen, der an Krebs erkrankt ist, kann funktionelle Kleidung hilfreich sein und entlasten.
So hatte Thomas sich seinen 50. Geburtstag nicht vorgestellt. Wie jeden Tag der letzten Monate liegt er noch spät am Morgen im Bett und starrt aus dem Fenster. Die Blase drückt schon ein bisschen. Es ist ruhig im Raum, nur sein Atem rasselt wie immer leise durch seine Trachealkanüle – das Geräusch dröhnt in seinen Ohren und er ballt die Fäuste.
Seit der missglückten Operation vor 2 Monaten lebt er mit dem Tracheostoma (Luftröhrenschnitt). Wenn er daran denkt, wie sehr er die Kopfschmerzen verharmlost hatte und dann plötzlich die Diagnose – Lymphdrüsenkrebs. Er presst die Lippen fest aufeinander und unterdrückt wütend die Tränen. Wie anders hatte er sich seinen runden Geburtstag vorgestellt.
Seine Frau kommt herein, in ihrem Arm hält sie ein Tablett mit einer Kerze und einen kleinen Blumenstrauß. Daneben steht seine Flüssignahrung inklusive Strohhalm. Sie lächelt ihn an – so als würde sie sein vom Krebs entstelltes Gesicht gar nicht sehen. Er will ihr zuliebe seinen Frust herunterschlucken, aber er hat keine Spucke im Mund. Sein Hals ist wie zugeschnürt. Ihren fröhlichen Gruß erwidert er, indem er stumm den Kopf zum Fenster dreht und die Augen fest schließt. Sie ist ein Engel und lässt sich nicht beirren, stellt das Tablett neben dem Bett ab und legt ihm dann Sachen zum Anziehen zurecht.
Der Toilettengang steht ihm wie immer bevor. Aus der Pyjamahose raus geht es noch einigermaßen, aber dann eine normale Hose wieder anzuziehen – fast ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man den Kopf nicht einfach neigen kann. Er wirft einen Blick auf den Kleiderstapel und stellt erleichtert fest, dass zur Feier des Tages wenigstens seine Lieblingshose, die einzige mit einem großen Zipper am Reißverschluss, bereit liegt. Ermutigt steht er auf und macht sich frisch.
Geduldig hält ihm seine Frau das Oberhemd hin und hilft ihm behutsam den Pullover über den Kopf zu ziehen.
Er verzerrt vor Schmerzen das Gesicht, als der enge Ausschnitt an seinem Gesicht entlang gleitet. Schmirgelpapier würde sich nicht schlimmer anfühlen auf der empfindlich wunden Haut. Seine Frau zuckt zusammen. In ihren Augen liest er schlechtes Gewissen und Mitleid. Er will sich schnell abwenden, doch obwohl seine Bewegung verlangsamt bleibt, hat er sofort wieder Schmerzen. Er spürt, wie Wut in ihm aufsteigt. Als ob das alles nicht schon schlimm und unangenehm genug ist. Er will ihr Mitleid nicht. Er richtet den Kragen etwas zu hektisch und bleibt prompt an der Trachealkanüle hängen. Erneut durchzuckt ihn Schmerz und nun ist er zusätzlich auch noch frustriert. Seine Frau steht mit hängenden Armen hinter ihm und wagt nicht mehr einzugreifen. Thomas läßt sich mühsam wieder auf die Bettkante fallen, ihm ist schwindelig. Er greift nach seiner Flüssignahrung. Doch wie sollte es anders sein, versagt ihm sein Mund bereits beim ersten Schluck den Dienst. Der raue Hals will einfach nicht wie er soll und schon tropft ein dicker Tropfen des Breis aus seinem Mundwinkel auf die Lieblingshose.
Innerlich fluchend steht er auf und sofort wird ihm kurz schwarz vor Augen. Jetzt geht die verdammte Umzieherei wieder los und die einzige einigermaßen bequeme Hose muss schon wieder in die Wäsche. Er schließt verzweifelt die Augen. Zu sagen gibt es mit seiner ohnehin schwachen Stimme dazu einfach nichts. Nein, so hatte er sich seinen Geburtstag wahrlich nicht vorgestellt.
So kann das Ankleiden heute für Thomas stressfreier sein können.
Thomas Frau hat sich informiert und ihm nachträglich zum Geburtstag noch zwei Geschenke aufs Bett gelegt. Zunächst ist Thomas zurückhaltend, weil er befürchtet, dass sie das wieder aus Mitleid getan hat. Als er jedoch auspackt, fangen seine Augen an zu leuchten.
Im ersten Paket ist eine Hose – dunkelblau in eleganter Qualität. So eine hatte er lange nicht mehr an. Die Hose ist am Bündchen weit dehnbar, hat vorne einen Reissverschluss und an den Seiten des Bündchen oberhalb der Seitentaschen jeweils Klettschließungen. Er öffnet interessiert die Klettverschlüsse und sieht, wie wunderbar großzügig der Einstieg in die Hose ist. Er braucht das Kinn nicht zur Brust zu neigen, sondern einfach nur fühlen, wo die Teile überlappend geschlossen werden. Er streicht über den Stoff und ist begeistert, weil es sich um ein Material handelt, dass wie eine Anzughose aussieht und nichts mit einem Jogginganzug gemein hat. Und außerdem ist sie in einem eleganten dunkelblau, das er ohnehin am liebsten mag. Er will sofort auf die Bettkante rutschen, um sie überzuprobieren. Seine Frau lächelt glücklich und schiebt ihm vorher noch das zweite Paket zu.
Er reißt das Papier auf – und fällt enttäuscht in seine Kissen zurück. Oben auf liegt ein Polohemd. Thomas wirft seiner Frau einen Blick zu, als wolle er sagen: „Was hast du dir denn dabei gedacht, davon habe ich doch schon ein Dutzend – und alle tun mir beim Anziehen weh.“
Aber sie lächelt ihn unbeirrt an, ergreift das Shirt an den Schulternähten und hebt es hoch. Von vorn sieht es aus wie ein normales Poloshirt und Thomas guckt nur verständnislos. Doch dann dreht sie das Shirt um und siehe da: Hinten hat es einen überlappenden Rücken, sodass es ganz geöffnet werden kann, er bequem von vorn hineinschlüpft und sie ihm dann die Knöpfe an Schultern und Rücken schließt. Jetzt versteht Thomas. Kein Über den Kopf ziehen mehr, also keine Schmerzen. Einfach nur mit den Armen in die Ärmel gleiten und sich das Shirt am Rücken auf den Schultern schließen lassen. Fantastische Idee, denkt er und ist so stolz auf seine Frau, die so liebevoll zu ihm ist.
Er freut sich über das zeitlose Design, das seine Frau gewählt hat. Er holt seine Lieblingsstrickjacke aus dem Schrank und weiß, zusammen mit dem Polo und der Hose wird er so ausgehfein aussehen, wie schon ewig nicht mehr – und das ganz ohne Schmerzen beim Anziehen.
Das will er nun aber wirklich ausprobieren. Seine Frau lacht und hilft ihm aus dem Jogginglook und in die neuen Kleidungsstücke. Ganz entspannt und ohne große Anstrengung. Der empfindliche Kopfbereich wird nicht berührt. Kein Stress mehr beim Ankleiden und erst recht keine Erwartung mehr auf die furchtbaren Schmerzhaftigkeiten am Kopf und Hals.
Gerührt und glücklich sitzen beide Hand in Hand auf der Bettkante. Thomas betrachtet sich anerkennend im Spiegel, den seine Frau extra aus dem Flur ins Zimmer getragen hat, und drückt ihr zärtlich die Hand.
Die Erzählung ist fiktiv, die Namen sind frei gewählt, in Andenken an einen Vater, der zu jung starb.
Über den Autor
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